Ennsregulierung: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Ein [[LIFE | + | Ein [[LIFE]]Plus-Projekt an der Enns, im Zuge des EU-Förderprogramms LIFE+Natur, verfolgte das Ziel, die Enns unter Berücksichtigung des erforderlichen [[Hochwasser]]<nowiki>schutzes</nowiki> zu revitalisieren. Dieses Projekt trug den Titel LIFE+ Flusslandschaft Enns und beinhaltete Maßnahmen, die in den Jahren [[2011]] bis [[2015]] durchgeführt wurden. |
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Wenn hier die Entwicklung des Ennstales in einer vielschichtigen Betrachtung aufgezeigt werden soll, so muss der Tätigkeit der Ennsregulierung als einer der größten Gemeinschaftsleistungen dieses Tales über einen Zeitraum von 125 Jahren wohl ein ganz besonderer Stellenwert eingeräumt werden. | Wenn hier die Entwicklung des Ennstales in einer vielschichtigen Betrachtung aufgezeigt werden soll, so muss der Tätigkeit der Ennsregulierung als einer der größten Gemeinschaftsleistungen dieses Tales über einen Zeitraum von 125 Jahren wohl ein ganz besonderer Stellenwert eingeräumt werden. | ||
− | Ein Fluss mit seiner begleitenden Aulandschaft stellt einen komplexen Lebensraum dar, der von einer Summe von Faktoren geprägt wird und einer laufenden Umgestaltung unterliegt. Auf Grund geomorphologischer Vorgaben und dem ständigen Wechsel der jahreszeitlich bedingten Klima- und Abflussschwankungen, kommt es im Abflussgeschehen der Enns immer wieder zu Veränderungen der dynamischen Gleichgewichtsbedingungen, durch die das Kräftespiel zwischen Abtrag und Auflandung der Flusssohle bewirkt wird. Das Ergebnis dieser natürlichen, unbeeinflussten Bachbett- bzw. Abflussgestaltung wird uns aus einer [[:Bild:Lageplandarstellung aus dem Jahre 1856.jpg|Lageplandarstellung aus dem Jahre 1856]] von einem Teilabschnitt der Enns zwischen Einmündung des [[Weißenbach (Wildbach)|Weißenbachs]], Marktgemeinde [[Haus | + | Ein Fluss mit seiner begleitenden Aulandschaft stellt einen komplexen Lebensraum dar, der von einer Summe von Faktoren geprägt wird und einer laufenden Umgestaltung unterliegt. Auf Grund geomorphologischer Vorgaben und dem ständigen Wechsel der jahreszeitlich bedingten Klima- und Abflussschwankungen, kommt es im Abflussgeschehen der Enns immer wieder zu Veränderungen der dynamischen Gleichgewichtsbedingungen, durch die das Kräftespiel zwischen Abtrag und Auflandung der Flusssohle bewirkt wird. Das Ergebnis dieser natürlichen, unbeeinflussten Bachbett- bzw. Abflussgestaltung wird uns aus einer [[:Bild:Lageplandarstellung aus dem Jahre 1856.jpg|Lageplandarstellung aus dem Jahre 1856]] von einem Teilabschnitt der Enns zwischen Einmündung des [[Weißenbach (Wildbach)|Weißenbachs]], Marktgemeinde [[Haus]] und [[Aich-Assach]] sehr eindrucksvoll wiedergegeben. Ein völlig verwilderter Wasserlauf in ständiger Umbildung begriffen, der den gesamten ebenen Talboden für sich in Anspruch nimmt. Der einzelne Besitzer als Anrainer war und ist nicht in der Lage, diesen Naturgewalten und den Verwüstungen bei Hochwasserabflüssen wirksam entgegenzutreten. Wenn man sich vor Augen führt, dass eine ähnliche Situation noch zur Mitte des [[19. Jahrhundert]]s für das gesamte Ennstal zwischen [[Mandling (Ort)|Mandling]] und [[Gesäuse]]<nowiki>eingang</nowiki> gegeben war, werden die Hilferufe der damaligen Talbewohner verständlich und die verschiedenen Eingaben an die öffentlichen Stellen glaubwürdig, in denen die Not der betroffenen landwirtschaftlichen Besitzer aufgezeigt wurde. Durch die jährlich mehrmalige Überflutung des gesamten ebenen Talbodens wurde eine Bewirtschaftung dieser Böden nicht mehr sinnvoll. Von der Dezimierung des Rinderbestands durch die Leberegelseuche und den erschwerten Verkehrsbedingungen, ja sogar von einer Abwanderung der Bevölkerung war die Rede. |
Mit flussbaulichen Teilmaßnahmen konnte diese Abflusssituation nicht entscheidend verbessert werden, sondern es mussten großräumige Überlegungen für eine Gesamtregulierung von Haus bis zum Gesäuse angestellt werden, um eine Entsumpfung des Talbodens in Verbindung mit einem verbesserten Hochwasserschutz für die Talfluren und Verkehrsanlagen zu erreichen. | Mit flussbaulichen Teilmaßnahmen konnte diese Abflusssituation nicht entscheidend verbessert werden, sondern es mussten großräumige Überlegungen für eine Gesamtregulierung von Haus bis zum Gesäuse angestellt werden, um eine Entsumpfung des Talbodens in Verbindung mit einem verbesserten Hochwasserschutz für die Talfluren und Verkehrsanlagen zu erreichen. | ||
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− | Die 70,2 km lange Regulierungsstrecke von der Weißenbacherbrücke bei [[Haus | + | Die 70,2 km lange Regulierungsstrecke von der Weißenbacherbrücke bei [[Haus]] bis zum Gesäuse, wurde in elf Objektstrecken eingeteilt. Die größten Flussverwilderungen herrschten in der Strecke von der Weißenbachmündung (Km 204,0) bis unterhalb der [[Assacher Brücke]] (Km 198,0). Die Korrektur dieser Flussstrecke wurde hauptsächlich in den Jahren [[1906]] bis [[1909]] ausgeführt, wobei als Ausbaugrad unter Rücksichtnahme auf die Unterlaufstrecke ebenso nur eine Mittelwasserregulierung gewählt wurde. |
In Weiterführung der Arbeiten wurde die Strecke unterhalb von [[Pruggern]] bis unterhalb der [[Gröbminger Brücke]] in den Jahren [[1909]] und [[1910]] reguliert, dabei ging es neben dem Schutz wertvoller Kulturgründe auch um die Sicherung der Bezirksstraße von Pruggern zur [[Bahnhof Gröbming|Bahnstation Gröbming]] und um die Verhütung eines drohenden Durchbruchs der Enns gegen die Bahnstation. | In Weiterführung der Arbeiten wurde die Strecke unterhalb von [[Pruggern]] bis unterhalb der [[Gröbminger Brücke]] in den Jahren [[1909]] und [[1910]] reguliert, dabei ging es neben dem Schutz wertvoller Kulturgründe auch um die Sicherung der Bezirksstraße von Pruggern zur [[Bahnhof Gröbming|Bahnstation Gröbming]] und um die Verhütung eines drohenden Durchbruchs der Enns gegen die Bahnstation. | ||
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Neben Verbesserungen an den Durchstichen von Liezen nach [[Frauenberg]] wurden in dieser Bauperiode der [[Nerwein Durchstich]], der [[Moosheimer Durchstich]], sowie der [[Reittaler Durchstich]] bei Liezen und in den Jahren [[1910]] und [[1911]] der [[Diemlerner Durchstich]], der [[Niederöblarner Durchstich]] und der [[Niedergstatter Durchstich]] durchgeführt. Die Ennskommission der Jahre [[1912]] und [[1913]] machte die Feststellung, dass die Flussstrecke unterhalb von [[Pruggern]] sich zunehmend verschlechtert und die Anlagen der [[Ennstalbahn|Eisenbahn]] bedroht sind, der Abschnitt zwischen [[Tunzendorf]] und [[Sölkbach]]<nowiki>mündung</nowiki> schwer unter den Überschwemmungen leidet und dieselben Verhältnisse zwischen [[Öblarn]] und Niederöblarn herrschen. | Neben Verbesserungen an den Durchstichen von Liezen nach [[Frauenberg]] wurden in dieser Bauperiode der [[Nerwein Durchstich]], der [[Moosheimer Durchstich]], sowie der [[Reittaler Durchstich]] bei Liezen und in den Jahren [[1910]] und [[1911]] der [[Diemlerner Durchstich]], der [[Niederöblarner Durchstich]] und der [[Niedergstatter Durchstich]] durchgeführt. Die Ennskommission der Jahre [[1912]] und [[1913]] machte die Feststellung, dass die Flussstrecke unterhalb von [[Pruggern]] sich zunehmend verschlechtert und die Anlagen der [[Ennstalbahn|Eisenbahn]] bedroht sind, der Abschnitt zwischen [[Tunzendorf]] und [[Sölkbach]]<nowiki>mündung</nowiki> schwer unter den Überschwemmungen leidet und dieselben Verhältnisse zwischen [[Öblarn]] und Niederöblarn herrschen. | ||
− | Die Ennsregulierungskommission trat erst wieder nach dem [[ | + | Die Ennsregulierungskommission trat erst wieder nach dem [[Ersten Weltkrieg]], am [[26. Oktober]] [[1919]] zusammen, bei der kleinere Ergänzungs- und Erhaltungsarbeiten aus der Zeit zwischen [[1914]] und [[1919]] kollaudiert wurden und zwei Projekte bezüglich der Fortsetzung der Regulierung zwischen Haus im Ennstal und [[Tunzendorf]] und von Niederöblarn bis zum [[Gesäuse]] bzw. das Projekt für die Regulierung der Zwischenstrecke Tunzendorf - Stein an der Enns - Niederöblarn zur Diskussion gestellt wurden. Auf Grund finanzieller Schwierigkeiten wurde beschlossen, für die nächsten zwei Jahre lediglich Erhaltungsarbeiten am Regulierungsbestand auszuführen. Ein Katastrophenhochwasser vom [[5. September|5.]] bis [[8. September]] [[1920]] verursachte gewaltige Schäden. Der Katastrophe fielen fast alle Brücken zum Opfer und es entstanden ausgedehnte Vermurungen bei den Zubringerbächen. Die größten Hochwasserschäden entstanden dabei in der nicht regulierten Flussstrecke zwischen Mandling und Weißenbachmündung. Die katastrophalen Auswirkungen des Hochwassers gaben der Ennskommission Anlass zu einer Stellungnahme bezüglich der Wildbachverbauung. |
In den Jahren [[1920]] und [[1921]] wurde mit der Ausführung des [[Tunzendorfer Durchstich]]es (Km 191,5 bis 192,7) begonnen und in den Folgejahren der [[Gersdorfer Durchstich]] (Km 186,6 bis 187,4) ausgeführt. | In den Jahren [[1920]] und [[1921]] wurde mit der Ausführung des [[Tunzendorfer Durchstich]]es (Km 191,5 bis 192,7) begonnen und in den Folgejahren der [[Gersdorfer Durchstich]] (Km 186,6 bis 187,4) ausgeführt. | ||
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Mit der Fertigstellung der Pruggerer Durchstiche war die gesamte Linienführung der Enns nach dem Gesamtprojekt festgelegt und ein bedeutendes Baustadium abgeschlossen. Gegenüber der ursprünglichen Länge des unregulierten Ennsflusses zwischen Mandling und Gesäuse von 107,014 km ergab sich eine regulierte Länge von 87,180 km, d. h. eine Flussverkürzung von 19,834 km. | Mit der Fertigstellung der Pruggerer Durchstiche war die gesamte Linienführung der Enns nach dem Gesamtprojekt festgelegt und ein bedeutendes Baustadium abgeschlossen. Gegenüber der ursprünglichen Länge des unregulierten Ennsflusses zwischen Mandling und Gesäuse von 107,014 km ergab sich eine regulierte Länge von 87,180 km, d. h. eine Flussverkürzung von 19,834 km. | ||
− | Nach dem [[ | + | Nach dem [[Zweiten Weltkrieg]] konnten die Arbeiten an der Enns unter den gegebenen volkwirtschaftlichen Verhältnissen und mangels gesetzlicher Grundlagen nur langsam wieder einsetzen. |
Der ursprüngliche Verlauf der Enns lässt sich noch annähernd unter Betrachtung der Gemeindegrenzen nachvollziehen. Die beiden Bilder zeigen zwei Auszüge aus historischen Karten, in denen die Gemeindegrenzen grün eingeblendet sind und der heutige Verlauf der Enns, wie auch andere Gewässer, blau dargestellt sind. | Der ursprüngliche Verlauf der Enns lässt sich noch annähernd unter Betrachtung der Gemeindegrenzen nachvollziehen. Die beiden Bilder zeigen zwei Auszüge aus historischen Karten, in denen die Gemeindegrenzen grün eingeblendet sind und der heutige Verlauf der Enns, wie auch andere Gewässer, blau dargestellt sind. | ||
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| [[1862]] || [[Ennshofer Leitwerk]] || 172,2 || 173,3 || 1,1 || kein Orthofoto | | [[1862]] || [[Ennshofer Leitwerk]] || 172,2 || 173,3 || 1,1 || kein Orthofoto | ||
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| 1862 || [[Neuhauser Durchstich]] || 174,3 || 174,9 || 0,6 || | | 1862 || [[Neuhauser Durchstich]] || 174,3 || 174,9 || 0,6 || | ||
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| 1862 || [[Stuttener Durchstich]] || 175,4 || 176 || 0,6 || | | 1862 || [[Stuttener Durchstich]] || 175,4 || 176 || 0,6 || | ||
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− | | [[1879]]–[[1880]] || [[Espanger Durchstich]] || 178,3 || 179,3 || 1 || | + | | [[1879]]–[[1880]] || [[Espanger Durchstich]] || 178,3 || 179,3 || 1 || |
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− | | [[1910]]–[[1911]] || [[Diemlerner Durchstich]] || 181,3 || 181,9 || 0,6 || | + | | [[1910]]–[[1911]] || [[Diemlerner Durchstich]] || 181,3 || 181,9 || 0,6 || |
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− | | [[1927]]–[[1929]] || [[Pruggerer Durchstiche]] || 195,8 || 197 || 1,2 || | + | | [[1927]]–[[1929]] || [[Pruggerer Durchstiche]] || 195,8 || 197 || 1,2 || |
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| 1921–[[1922]] || [[Westlichste Ennsregulierung]] || 222,0 || 204,0 || 18 || | | 1921–[[1922]] || [[Westlichste Ennsregulierung]] || 222,0 || 204,0 || 18 || | ||
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* Buch [[Ein Tal im Wandel der Zeit]] | * Buch [[Ein Tal im Wandel der Zeit]] | ||
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Aktuelle Version vom 7. Dezember 2022, 16:59 Uhr
Unter der Ennsregulierung, auch Fruchtbarmachung des Ennstales genannt, wurde eine bautechnische und organisatorische Meisterleistung vollbracht, ohne die ein Leben wie wir es heute kennen in Ennstal sicher nicht möglich wäre. Die große Ennsregulierung wurde im steirischen Ennstal in den Jahre 1863 bis 1870 durchgeführt.
Regulierung
Vor der Regulierung swiki:mäandrierte[1] die Enns in weiten Schlingen von einer Talseite zur anderen. Im Zuge der Ennsregulierung wurden die meisten Flussschlingen abgetrennt. Die dabei entstandenen zahlreichen Enns-Altarme wurden der Verlandung gewollt oder nicht, mit organischem Material preisgegeben. Durch die Regulierung kam es zur Eintiefung des Flussbettes und zur Entkopplung der Enns von ihrem Umland und den Nebenbächen. Aufgrund dieser Auswirkungen sind viele der heute noch vorhandenen Lebensräume mit ihren Tier- und Pflanzenarten bedroht.
Revitalisierung
Ein LIFEPlus-Projekt an der Enns, im Zuge des EU-Förderprogramms LIFE+Natur, verfolgte das Ziel, die Enns unter Berücksichtigung des erforderlichen Hochwasserschutzes zu revitalisieren. Dieses Projekt trug den Titel LIFE+ Flusslandschaft Enns und beinhaltete Maßnahmen, die in den Jahren 2011 bis 2015 durchgeführt wurden.
Geschichte
Es soll hier auszugsweise ein Artikel aus dem Buch Ein Tal im Wandel der Zeit wiedergegeben werden, der von Hofrat Dipl. Ing. Herbert Bochsbichler, ehemaliger Vorstand der Baubezirksleitung Liezen, verfasst wurde.
Zustand des Ennstales vor der Regulierung
Über viele Millionen Jahre wurde im Zusammenwirken der Naturerscheinungen auf Basis der Gesteinswelt, von Klima und Boden, Pflanzen und Tieren und unter Einbeziehung der Kulturbautätigkeit des Menschen jenes Relief des Ennstales gebildet, das sich dem Betrachter in so eindrucksvoller Weise darstellt.
Wenn hier die Entwicklung des Ennstales in einer vielschichtigen Betrachtung aufgezeigt werden soll, so muss der Tätigkeit der Ennsregulierung als einer der größten Gemeinschaftsleistungen dieses Tales über einen Zeitraum von 125 Jahren wohl ein ganz besonderer Stellenwert eingeräumt werden.
Ein Fluss mit seiner begleitenden Aulandschaft stellt einen komplexen Lebensraum dar, der von einer Summe von Faktoren geprägt wird und einer laufenden Umgestaltung unterliegt. Auf Grund geomorphologischer Vorgaben und dem ständigen Wechsel der jahreszeitlich bedingten Klima- und Abflussschwankungen, kommt es im Abflussgeschehen der Enns immer wieder zu Veränderungen der dynamischen Gleichgewichtsbedingungen, durch die das Kräftespiel zwischen Abtrag und Auflandung der Flusssohle bewirkt wird. Das Ergebnis dieser natürlichen, unbeeinflussten Bachbett- bzw. Abflussgestaltung wird uns aus einer Lageplandarstellung aus dem Jahre 1856 von einem Teilabschnitt der Enns zwischen Einmündung des Weißenbachs, Marktgemeinde Haus und Aich-Assach sehr eindrucksvoll wiedergegeben. Ein völlig verwilderter Wasserlauf in ständiger Umbildung begriffen, der den gesamten ebenen Talboden für sich in Anspruch nimmt. Der einzelne Besitzer als Anrainer war und ist nicht in der Lage, diesen Naturgewalten und den Verwüstungen bei Hochwasserabflüssen wirksam entgegenzutreten. Wenn man sich vor Augen führt, dass eine ähnliche Situation noch zur Mitte des 19. Jahrhunderts für das gesamte Ennstal zwischen Mandling und Gesäuseeingang gegeben war, werden die Hilferufe der damaligen Talbewohner verständlich und die verschiedenen Eingaben an die öffentlichen Stellen glaubwürdig, in denen die Not der betroffenen landwirtschaftlichen Besitzer aufgezeigt wurde. Durch die jährlich mehrmalige Überflutung des gesamten ebenen Talbodens wurde eine Bewirtschaftung dieser Böden nicht mehr sinnvoll. Von der Dezimierung des Rinderbestands durch die Leberegelseuche und den erschwerten Verkehrsbedingungen, ja sogar von einer Abwanderung der Bevölkerung war die Rede.
Mit flussbaulichen Teilmaßnahmen konnte diese Abflusssituation nicht entscheidend verbessert werden, sondern es mussten großräumige Überlegungen für eine Gesamtregulierung von Haus bis zum Gesäuse angestellt werden, um eine Entsumpfung des Talbodens in Verbindung mit einem verbesserten Hochwasserschutz für die Talfluren und Verkehrsanlagen zu erreichen.
Ennsregulierung 1860–1940 (Mittelwasserregulierung)
Die in den Archiven enthaltenen Berichte und Bitten der Bevölkerung an die Regierung schildern den trostlosen Zustand des Ennslaufes und die Auswirkungen auf die Landwirtschaft des Talbodens. In großen Windungen und Schleifen fließend, hat sich der Fluss nach jedem Hochwasser ein neues Bett gesucht und mehrmals im Jahr das ganze Tal überflutet und große Schäden hinterlassen.
Am 30. August 1859 wurde endlich mit kaiserlicher Entschließung zu Laxenburg die Regulierung der Enns angeordnet und die Landesbaudirektion mit der Erstellung eines Regulierungsprojektes und dem sofortigen Beginn der vermessungstechnischen Aufnahme beauftragt.
Die ministerielle Studienkommission hat auf Grund einer kommissionellen Bereisung im Sommer 1860 in einem Protokoll die Ursachen der Verwilderung des Ennsflusses nochmals aufgezeigt und dabei besonders auf die nachteilige Wirkung der einfließenden Wildbäche mit ihren starken Geschiebeeinstößen und auf die negativen Einwirkungen der seit über 300 Jahren geübten ärarischen Holzschlägerung und Holztrift hingewiesen. Die Baukosten wurden vorläufig auf 545.000 swiki:Gulden bei einer zehnjährigen Bauzeit eingeschätzt.
Die Aufteilung dieser Kosten wurde folgendermaßen festgelegt:
Steierm. Landesfond (und Torflagerbesitzer) | 26% |
K.k. Hauptgewerkschaft zu Eisenerz (Holztrift) | 40% |
Wasserbaufonds | 19% |
Straßenbaufonds | 15% |
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Baubeginn 1860 und 1861
Im Sinne der durch die ministerielle Studienkommission festgelegten Richtlinien, wurde noch im gleichen Jahr mit der ersten Bauaktion begonnen. Wegen Gefahr im Verzug wurde im August 1860 mit dem Neuhauser Durchstich begonnen, da eine Zerstörung der Gröbminger Ärarialstraße (heutige B320) der Ortschaft Neuhaus (heutiges Trautenfels) und der Bezirkstraße nach Irdning drohte. Der 520 m lange Durchstich wurde an einen Bauunternehmer vergeben und im Herbst 1861 fertiggestellt.
Gleich im Anschluss wurde mit dem Ennshofer Leitwerk und dem Stuttener Durchstich fortgefahren, welcher im November 1862 unter Anwesenheit der Kommissionsmitglieder mit der Kollaudierung (Benützungsbewilligung) eröffnet wurde.
Bautätigkeiten 1862 bis 1865
Für die Jahre 1863, 1864 und 1865 wurde der Kader Durchstich (Km 137,3 bis 138,5) oberhalb der Wengerbach-Einmündung, der Simmerbauer Durchstich (Km 135,6 bis 136,5) bei Weng, der Kornbauer Durchstich (Km 139,9 bis 140,5), der Admonter Durchstich (Km 143,4 bis 144,0) und der Sauhapen Durchstich (Km 143,4 bis 144,0) ausgeführt. Im oberen Teil wurde der Glöckel Durchstich (Km 177,6 bis 178,0) bei Niederstuttern errichtet.
Die Kollaudierungskommission vom 7. Oktober 1865 stellt fest, dass die bisherigen acht Durchstiche und zwar der Glöckl, Stuttener und Neuhauser Durchstich sowie Admonter, Kornbauer, Kader und Simmerbauer Durchstich zwischen Admont und Gesäuse in jeder Hinsicht gelungen sind. Bei einer gesamten Durchstichlänge von 4 478 m wurde der Flusslauf bereits um 4 291 m abgekürzt und die Sohle auf die Normalbreite eingeschränkt, sowie die Ufer gesichert.
Bautätigkeiten 1866 bis 1870
In den folgenden Jahren wurden die Arbeiten zügig vorangetrieben und folgende Regulierungsmaßnahmen ausgeführt: Frauenberger Durchstich (Km 146,4 bis 147,1) mit einer Länge von 880m und einer Bauzeit von sechs Monaten (ohne Maschinen Anm.) Pichlmaier Durchstich (Km 144,6 bis 145,1) Pauker Durchstich (Km 158,5 bis 159,1) als Vorbereitung für die dreifachen Gamper-Durchstiche Palten Durchstich (Km 151,9 bis 152,3) mit Umlegung der Paltenbach-Mündung Mödringer Durchstich (Km 147,6 bis 148,2) Friedsteiner Durchstich (Km 169,5 bis 170,5) Gamper Durchstich I Erste Sektion (Km 158,0 bis 158,4) Grabner Durchstich (Km 138,4 bis 139,5) Stainacher Durchstich (Km 170,8 bis 171,2) Golling Wurfen Durchstich (Km 166,3 bis 168,0) Gamper Durchstich II und Gamper Durchstich III Zweite und dritte Sektion (Km 157,7 bis 158,0 bzw. 157,2 bis 157,7) sowie Durchstich oberhalb der Röthelbrücke (Km 160,0 bis 160,8) bei Liezen
Bautätigkeiten 1871 bis 1875
In diesen Jahren wurde neben Ufersicherungen und Vervollständigungen der großen Flussdurchstiche im Jahr 1871 die Mündung des Pyhrnbaches verlegt, im Jahr 1872 der Durchstich ober- und unterhalb des Überführer und bis zum Jahr 1875 die Durchstiche ober- und unterhalb Fischern und der Weißenbacher Durchstich ausgeführt.
Mit der Kollaudierungskommission vom 17. August 1875 fand die erste große Bauaktion der Ennsregulierung ihren Abschluss. Durch die Anlage von 26 Ennsdurchstichen mit einer Gesamtlänge von 16 967 m wurde der Flusslauf um 17bnsp;178 m verkürzt, das Gefälle von 1,00 Promille auf 1,30 Promille erhöht und eine Absenkung der Wasserspiegellage bis zu 2,00 m erreicht. Damit war eine Entsumpfung großer Teilflächen des Talbodens gewährleistet und die Vorflut für die Anlage von Entwässerungen geschaffen.
Bautätigkeiten 1882 bis 1892
Mit dem Landesgesetz vom 26. Mai 1878 wurde die Ausführung des Espanger-Durchstiches beschlossen und mit dem Landesgesetz vom 23. Oktober 1880 die Erhaltung der in den Jahren 1875 und 1878 ausgeführten Regulierungsbauten geregelt. Durch das Steiermärkische Landesgesetz vom 2. März 1882 wurde der Bau des in der Jahreskommission 1881 beschlossenen Projektes für eine Bauzeit von zehn Jahren angeordnet. In dieser zehnjährigen Bautätigkeit von 1882 bis 1892 wurde der Einbau von Ufersicherungen in den bisher ausgeführten 27 Durchstichen fortgesetzt und die natürlichen Flussstrecken durch Konzentrierungsbauten gesichert.
Bautätigkeiten 1893 bis 1905
In der folgenden Zeit wurden mangels einer neuerlichen gesetzlichen Regelung lediglich Erhaltungsarbeiten durchgeführt. Im Jahre 1897 und 1899 wurde das Ennstal von katastrophalen Hochwässern heimgesucht, welche besonders in der oberen Flussstrecke in den Gemeinden Aich und Gössenberg große Schäden anrichteten. Ebenso wurde über die enormen Schwierigkeiten währen der Hochwasserereignisse im August 1866 und während des Frühjahrshochwassers 1867 bei den einzelnen in Bau begriffenen Durchstichen berichtet.
Durch das Steierm. Landesgesetz vom 30. September 1905 wurde die fortsetzung der Ennsregulierung von Haus im Ennstal bis zum Espanger-Durchstich und der weitere Ausbau der regulierten Strecke von Espang bis zum Gesäuse einschließlich der Erhaltung der bestehenden und der neu zu schaffenden Bauwerke für die Zeit von zehn Jahren angeordnet. Die Durchführung der Arbeiten übernahm die Staatsverwaltung auf Kosten des Baufonds.
Die rund sieben Kilometer lange Zwischenstrecke von Stein an der Enns bis Niederöblarn wurde wegen des besonders schlechten Zustandes in die Regulierung vorerst nicht einbezogen.
Bautätigkeiten nach 1906
Die 70,2 km lange Regulierungsstrecke von der Weißenbacherbrücke bei Haus bis zum Gesäuse, wurde in elf Objektstrecken eingeteilt. Die größten Flussverwilderungen herrschten in der Strecke von der Weißenbachmündung (Km 204,0) bis unterhalb der Assacher Brücke (Km 198,0). Die Korrektur dieser Flussstrecke wurde hauptsächlich in den Jahren 1906 bis 1909 ausgeführt, wobei als Ausbaugrad unter Rücksichtnahme auf die Unterlaufstrecke ebenso nur eine Mittelwasserregulierung gewählt wurde.
In Weiterführung der Arbeiten wurde die Strecke unterhalb von Pruggern bis unterhalb der Gröbminger Brücke in den Jahren 1909 und 1910 reguliert, dabei ging es neben dem Schutz wertvoller Kulturgründe auch um die Sicherung der Bezirksstraße von Pruggern zur Bahnstation Gröbming und um die Verhütung eines drohenden Durchbruchs der Enns gegen die Bahnstation.
Neben Verbesserungen an den Durchstichen von Liezen nach Frauenberg wurden in dieser Bauperiode der Nerwein Durchstich, der Moosheimer Durchstich, sowie der Reittaler Durchstich bei Liezen und in den Jahren 1910 und 1911 der Diemlerner Durchstich, der Niederöblarner Durchstich und der Niedergstatter Durchstich durchgeführt. Die Ennskommission der Jahre 1912 und 1913 machte die Feststellung, dass die Flussstrecke unterhalb von Pruggern sich zunehmend verschlechtert und die Anlagen der Eisenbahn bedroht sind, der Abschnitt zwischen Tunzendorf und Sölkbachmündung schwer unter den Überschwemmungen leidet und dieselben Verhältnisse zwischen Öblarn und Niederöblarn herrschen.
Die Ennsregulierungskommission trat erst wieder nach dem Ersten Weltkrieg, am 26. Oktober 1919 zusammen, bei der kleinere Ergänzungs- und Erhaltungsarbeiten aus der Zeit zwischen 1914 und 1919 kollaudiert wurden und zwei Projekte bezüglich der Fortsetzung der Regulierung zwischen Haus im Ennstal und Tunzendorf und von Niederöblarn bis zum Gesäuse bzw. das Projekt für die Regulierung der Zwischenstrecke Tunzendorf - Stein an der Enns - Niederöblarn zur Diskussion gestellt wurden. Auf Grund finanzieller Schwierigkeiten wurde beschlossen, für die nächsten zwei Jahre lediglich Erhaltungsarbeiten am Regulierungsbestand auszuführen. Ein Katastrophenhochwasser vom 5. bis 8. September 1920 verursachte gewaltige Schäden. Der Katastrophe fielen fast alle Brücken zum Opfer und es entstanden ausgedehnte Vermurungen bei den Zubringerbächen. Die größten Hochwasserschäden entstanden dabei in der nicht regulierten Flussstrecke zwischen Mandling und Weißenbachmündung. Die katastrophalen Auswirkungen des Hochwassers gaben der Ennskommission Anlass zu einer Stellungnahme bezüglich der Wildbachverbauung.
In den Jahren 1920 und 1921 wurde mit der Ausführung des Tunzendorfer Durchstiches (Km 191,5 bis 192,7) begonnen und in den Folgejahren der Gersdorfer Durchstich (Km 186,6 bis 187,4) ausgeführt.
Abschlussarbeiten und Neuvermessung
Nach der im Frühjahr 1926 durchgeführten Neuvermessung und Vermarktung ergab der neu aufgestellte Liegenschaftskataster der Ennsregulierungskonkurrenz einen Besitzstand von 141 ha, 49 ar, 79 m².
Nach der Fertigstellung des Gstatter Durchstiches im Jahre 1927 folgten in den Baujahren 1927 bis 1929 die drei Pruggerer Durchstiche mit einer Gesamtlänge von 1 112 m, womit sowohl die Hochwassergefährdung von der Ortschaft Pruggern wesentlich vermindert und ein besserer Schutz der Bezirksstraße und der Österreichischen Bundesbahnen wirksam wurde.
Mit der Fertigstellung der Pruggerer Durchstiche war die gesamte Linienführung der Enns nach dem Gesamtprojekt festgelegt und ein bedeutendes Baustadium abgeschlossen. Gegenüber der ursprünglichen Länge des unregulierten Ennsflusses zwischen Mandling und Gesäuse von 107,014 km ergab sich eine regulierte Länge von 87,180 km, d. h. eine Flussverkürzung von 19,834 km.
Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die Arbeiten an der Enns unter den gegebenen volkwirtschaftlichen Verhältnissen und mangels gesetzlicher Grundlagen nur langsam wieder einsetzen.
Der ursprüngliche Verlauf der Enns lässt sich noch annähernd unter Betrachtung der Gemeindegrenzen nachvollziehen. Die beiden Bilder zeigen zwei Auszüge aus historischen Karten, in denen die Gemeindegrenzen grün eingeblendet sind und der heutige Verlauf der Enns, wie auch andere Gewässer, blau dargestellt sind.
Bildergalerie
Hier ein paar historische Bilder, die den Arbeitern geschuldet sind.
Übersichtstabelle der Durchstiche
Quellen
Einzelnachweise
- ↑ Verlinkung(en) mit "swiki:" beginnend führen zu Artikeln im SALZBURGWIKI, dem Mutterwiki des EnnstalWikis