Heuernte im Wandel der Zeit

Zeitzeugendokument
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Ein Silo am Wöhrerhof in Birnberg.

Heuernte im Wandel der Zeit sowie die Vor- und Nachteile und das Rund-herum, erzählt von Stefan Berger junior aus Liezen, bekannt auch als „Ebner-Steff“, Wörschachwald und Liezen.

Heuernte im Laufe der letzten 75 Jahre

Als“ Keuschlerbua“ in Wörschachwald geboren und dort aufgewachsen, habe ich auch die Heuarbeiten vom Mähen, natürlich mit der Sense, über das „Ohstran“ und umkehren bis zum „Heigen“ und Einführen oder Eintragen, mitgemacht und erlebt. Sicher, bei uns war die Arbeit in einem kleineren Ausmaß als bei den Bauern, aber es war ganz gleich und oft sogar schwerer, denn Eintragen mit einer sogenannten „Blachen“, das gab es bei den Bauern in unserer Umgebung nur selten. Die hatten die Ochsen oder ein Pferd - es gab selten auch Kleinkeuschler, die diese Arbeiten mit einer Kuh vollführten, die das Heu, auch von den steilsten Hängen, die oft weit unter dem Gehöft gelegen sind, heraufgezogen haben. Wir hatten keinen Ochsen, also wurde ein großes Leinentuch, so 2 x 2 Meter und an jeder Ecke ein dünnes Seil. Darauf wurde das Heu mit einer Gabel gelegt. So ein Haufen der ca. 50 kg gewogen hat. Dann wurde das ganze kreuzweise zusammengezogen und verschnürt und zu zweit wurde es auf den Kopf, meist eines Mannes, (es konnte aber auch eine Frau sein) hinaufgehoben und mit dieser Last musste der Träger hinauf zur Tenne, Schritt für Schritt, transportieren. Eine Schwerstarbeit!

Aber ich wollte doch eigentlich die Veränderung der Heuernte im Laufe der letzten 75 Jahre beschreiben.

Hier hat sich sehr viel verändert und nicht alles ist gut. Es ist vieles einfacher, vor allem schneller geworden, es ist mit weniger Leuten eine viel, viel größere Fläche zu bewältigen, aber ob es gut für die Natur ist, darüber streiten sich schon lange die Experten! Und auch ich bin der Meinung: Früher war einiges besser, vor allem für die Umwelt, für die Insekten, für die Bienen, für die Schmetterlinge für die Heuschrecken und was weiß ich, noch alles. Hier kann man mit Recht, von der guten alten Zeit reden!

Das Sonnwendheu

Wenn ich schon bei der Zeit angelangt bin, der Beginn der Mäharbeiten war bei uns, nie vor der Sommersonnenwende! Am Sonnwendtag, den 21. Juni, wurde ein bestimmtes Grundstück gemäht und dies war dann ein besonderes Heu, das Sonnwendheu! Wozu es verwendet oder wann und an welches Vieh es gefüttert wurde, ist leider in Vergessenheit geraten. Aber es war eben ein besonderes Heu.

Zum Mähen selbst muss unbedingt einiges erwähnt werden. Vor allem schöne Dinge, die bis heute in meinen Erinnerungen an die schwere Arbeit hängen geblieben sind. Da waren einmal die Jodler bei Mähbeginn am Morgen, wenn es noch fast dunkel war, von der Sonnseite, nämlich vom „Hechl“ herüber, zu hören. Der Knecht, der Bauer selbst und die Töchter haben vor der ersten Mahd, immer einen Jodler erklingen lassen. Eine schöne Sache trotz der bevorstehenden schweren Arbeit, so zum Zeichen „Mit Frohsinn geht alles leichter!“

Weiters ist das Sensen-Dengeln zu erwähnen! Bei fast jedem Bauernhaus gab es meist vor dem Getreidekasten oder vor dem Haus einen überdachten Bereich, und da lag ein Stein mit einem Kissen oder einem Brett zum Sitzen darauf, und ein Dengeleisen war im Stein eingebohrt. Der Dengelhammer hing dann immer in Griffweite, irgendwo am Gebäude. Es waren da so gewisse Zeiten, an denen, meist der alte Bauer Zeit hatte, die Sensen zu dengeln, damit am nächsten Morgen, mit einer guten Schneid, das Mähen leichter ging. Entweder es war gerade ein Gewitter vorbei, das Heu schon im Trockenen, oder es war so und so schon Feierabend, dann begann das schöne klingende Klopfen vor dem Haus! Deng-deng-deng oft eine ganz Stunde lang, bis alle Sensen wieder einsatzfähig waren.

Aber ein besonderer Grund warum man erst zu Sonnenwende zu mähen begonnen hat, war der Samen der Blumen und Gräser. Die Blumen mussten bereits abgeblüht haben, erst dann fällt der Samen aus und es wachsen im nächsten Jahr wieder neue, frische Gräser und Blumen nach. Dadurch war der natürliche Kreislauf schon für die Wiesen aber auch für die Insekten gewährleistet. Heute läuft es eben ganz anders und es muss teilweise Grassamen auf so manche Wiese eingesät werden, damit der Gräser-Kreislauf nicht zu sehr unterbrochen wird. Verschiedene Gräser-Arten würden aussterben und es würden auf so manchen Feldern, kahle Stellen entstehen. Aber jetzt zurück zum Anfang der Veränderung im Bereich der Heuernte!

Wie ging eine Heuernte vor sich?

Vor 75 Jahren wurde noch alles mit der Sense und mit Muskelkraft gemäht, es entstand durch das Zusammenschieben der Gräser ein „Riedl“, dieser musste mit Gabeln wieder schön und säuberlich verteilt werden, „Anstreuen“ hat es geheißen. Eine Arbeit die meist von den Frauen am Hof erledigt wurde. War das Wetter schön, konnte am nächsten Tag so gegen 10 Uhr das bereits oberflächlich getrocknete Gras gewendet werden, so dass die Unterseite von der Sonne getroffen wurde. „Umkehren“ nannte man diese Tätigkeit und diese Arbeit war mit ein wenig „Geschick“ verbunden. Es war gar nicht so leicht, es dem Bauern recht zu machen?!

Wenn dann die Sonne noch immer seine Strahlen auf das Futter scheinen ließ, konnte so um 14 Uhr herum mit dem“ Zammheign“ begonnen werden und schon kamen die Ochsen oder Pferde und das Heu wurde auf Wagen oder Rumpeln geladen und zur Tenne oder Heustadel gebracht. Dabei muss wohl „das Auflegn“ genauer beschrieben werden.

Fachtlfassen

„Fachtlfassen“ im Dialekt, Heufuhre schlichten die genauere Bezeichnung. Ein starker Mann hat mit einer Gabel das Heu auf den Wagen gehoben und der „Fachtlfasser“ hat es dann sehr fachgerecht, so verteilen müssen, dass nichts hinunterfallen konnte und aber auch, eine richtig hohe Fuhre entstanden ist. So wurde Fuhre um Fuhre zur Tenne gebracht und es wurde oft so lange am Feld gearbeitet, auch wenn der Mond schon am Himmel zu sehen war. Denn wenn das Wetter gut war, musste so viel als nur möglich geerntet werden, denn es kamen auch damals schon, Regen und Kälteeinbrüche, so wie wir es immer wieder erleben müssen.

Ist es heute sehr schwierig dem Wetter zu trotzen, war es früher mit viel mehr Arbeit verbunden. Das damals viel kostbarere Futter durfte auf keinen Fall verderben, weil jeder einzelne Halm und jede Gabel voll Futter, wertvoll waren. Je mehr Futter umso mehr Vieh konnte gehalten werden und die Zahl der Rinder und Schafe oder Ziegen, war für jeden Bauern wichtig. Die Größe eines Bauern wurde fast immer nach dem Viehstand beurteilt und weniger nach der Grundfläche, denn der Wald spielte früher eher eine untergeordnete Rolle, weil Holz nicht immer und nicht überall, gleich gut zu verkaufen bzw. die Holzbringung schwierig bis unmöglich war.

Hifler

Also, wenn es wieder einmal nach einer längeren Schlechtwetterzeit aussah, musste das bereits gemähte Futter vom nassen Boden weg, sonst drohte es zu faulen. Da gab es in den verschiedenen Gegenden, verschiedene Vorrichtungen. Waren es in Kärnten die Heuraufen, die aus Holz gezimmert waren, so gab es hier im Ennstal und auch in vielen anderen Gegenden, die „Hifler“. Bei jedem Hof gab es eine Hifler-Hütte, darin waren die spießigen Dinger aufgehoben um vor der Nässe geschützt zu warten, bis ihr Einsatz kam. Ein „Hifler“ war eigentlich ein Baumwipfel, der beim Holzschlägern gewonnen wurde. Die kleinen Äste wurden ca. 8 cm lang am Stamm abgehackt, die Rinde abgeschält und so zwei bis drei Meter lang gelassen. Am dickeren Ende wurde er zugespitzt und der „Hifler“ war fertig.

Jetzt wurde mit einem Vorstecken, dass wiederum ist ein aus Eisen gefertigter (geschmiedeter) schwerer Eisenstab, der am unteren Ende eine Verdickung hat und damit machte man die notwenigen Löcher im weichen Wiesenboden. Der „Hifler“ wurde eingesteckt und links und rechts noch ein Schlag mit dem Vorstecken und der „Hifler“ stand bombenfest und konnte die Belastung von einigem nassen Futter aufnehmen. Es war eine gefinkelte Arbeit, sonst hat das Ganze nicht gehalten. Zuerst wurde eine Art Zopf gedreht, diesen um den untersten Zurkenkranz gedreht, und jetzt Büschelweise bis hinauf, immer wieder rundum Büschelweise Futter daraufgelegt. Mit der Gabel zuletzt einen richtigen „Buschen“ drauf, und so konnte das Futter mehrere Tage bei Wind und Wetter stehen und es wurde langsam aber sicher trocken. War dann ein schöner Tag, wurden die „Hifler“ abgeschüttelt, noch einmal etwas gelockert und dann in die Tenne gebracht.

Schwedenreiter

Diese Art der Heutrocknung gab es wohl sehr, sehr lange, bis nach dem Zweiten Weltkrieg, so um 1950 herum, kamen dann bei uns die Schwedenreiter auf. Zuerst am Land unten, hat es bei uns geheißen. Kurz darauf wurde auch bei den Bergbauern diese neue Technik versucht. Dabei wurden auch die „Hifler“ als Stützpfeiler verwendet, aber es wurde damit eine lange Reihe, möglichst schnurgerade, eingeschlagen. Dann, an jedem Ende ein Abspanner ganz tief in den Boden geschlagen, hier hat man auf das Vakuum im Erdreich gesetzt, und jetzt einen Stahldraht in mehreren Reihen gespannt. Auf jede Drahtreihe wurde dann das feuchte Futter gelegt und etwas angedrückt, damit der Wind es nicht verwehen kann. Bis zu fünf Reihen wurden da schon gespannt und nicht selten wurde ein wenig übertrieben und ein Sturm hat das ganze „Kunstwerk“ zu Fall gebracht. Daher musste auch auf die Windrichtung ein wenig geachtet werden?

Je nach Wetterlage war dann das aufgehängte Futter ausgetrocknet und wenn es sicher war, dass kein Regen kommt, wurde es am Vormittag abgeschüttet, dann noch mit einer Gabel ein wenig aufgerüttelt und wenn es gepasst hat, gleich eingefahren!

Diese sehr zeitaufwendige Art der Heugewinnung hat nicht lange gehalten, alsbald kamen die Silos. Bei vielen Höfen wurden Silos errichtet und dies in den verschiedensten Bauweisen. Aus Holz, aus Beton und sogenannte Fahrsilo. Hier konnte das leicht angetrocknete Gras eingebracht und ganz festgetreten werden, so wie beim Sauerkraut einstampfen. Es kam da Silozucker dazu und die Rinder nehmen dieses Futter gerne an!

Leider gab es immer wieder schwere, meist tödliche Unfälle in Silos mit den sehr giftigen Silogasen. Wenn unachtsam ein Mensch in einen Silo eingestiegen ist, und die Belüftung schlecht war, kam es immer wieder zu Erstickungen. Man hat daraus gelernt und die Fahrsilos erfunden. Man braucht dazu wohl viel mehr Platz, aber die Befüllung und auch die Entnahme geht viel leichter, als bei den Hochsilos.

Bevor jetzt auf die weiteren Behandlungsarten im Bereich Futter und Gras eingegangen wird, ist es wohl sehr wichtig, wie sich die Arbeitsweise beim Mähen verändert hat.

Balkenmäher

Schon im Jahre 1922 wurde in Deutschland der Balkenmäher erfunden und zum Patent angemeldet, allerdings hat es lange gedauert bis dieses segensreiche Gerät auch bei uns Einzug gehalten hat. Nach meinen Erinnerungen sah man schon in den Kriegsjahren „Pferdemäher“ am Land herunten. Diese Dinger wurden durch die Kraft eines Pferdes angetrieben. Die Eisenräder mit Stollen haben die Kraft auf ein Getriebe übertragen und eine mit vielen Messern bestückte Eisenstange wurde in einer Rinne hin und her gezogen und so das Gras abgeschnitten. In gleicher Weise arbeitet der Motormäher, welcher per Benzinmotor betrieben wird. Vorbei war das beruhigende Sensendengeln jeden Abend, wenn der Bauer alle Sensen für den nächsten Morgen mit einer „guten Schneid“ versehen hat. Vorbei das vertraute Geräusch, wenn der „Mäher“ den Wetzstein über das Sensenblatt gleiten ließ um dadurch eine noch bessere Schneid zu bekommen. Vorbei mit einem Jodler vor Beginn eines anstrengenden Tages, anstatt dessen hat man sich gefreut, wenn der Motor gleich beim ersten Startversuch angesprungen ist und dann gab es nur noch den Lärm vom Motor und dazu das Geräusch von den Mähmessern, die alles abgemäht haben, was dagestanden ist. Ab und zu kam da etwas zwischen die Messer, wo die Bäuerin gar nicht glücklich gewesen ist, und zwar dann, wenn der Mäher dem Gemüsegarten zu nahegekommen ist?! Mit der Sense waren solche Sachen eher nicht passiert.

Die Motormäher wurden immer mehr und die Landmaschinenhändler machten gute Geschäfte. Bei den Bauern wurde die Arbeit leichter und der zunehmende Personalmangel konnte durch die Maschinen ausgeglichen werden. Ein Mann hat plötzlich in der gleichen Zeit, wie fünf „Mäher“ zusammen mähen konnten, bewerkstelligt! Da hat man den Lärm und den Gestank gerne in Kauf genommen!

Es blieb aber nicht bei den Motormähern, die in der Landwirtschaft Einzug gehalten haben. Alsbald kamen Heuwender und Heurechen, selbstfahrende Ladewagen, auch für die Bergbauern. Es kamen in der Tenne Heugebläse, die das Heu in die höchsten Stellen in der Tenne, hinauf geblasen hat und es kam der Heukran. Dieses Gerät konnte von den Frauen und von den Kindern bedient werden und hat viel schwere Arbeit in der Tenne abgenommen. Das Abladen der Heufuhren und das hochbringen in die höchsten Tennen war eine der schwersten Tätigkeiten bei der Heuernte und die viel plötzlich auch weg. Ein Segen für die Bauern, wo die starken Männer immer weniger geworden sind?! Der Einsatz von Traktoren brachte eine ganz neue Art in der Heuarbeit, man hat nie geglaubt, wo man mit einem Traktor überall hinfahren kann, selbst die steilen Hänge und Wiesen werden heute mit schwerem Gerät und mit großen Traktoren mit Ladewägen bearbeitet! Leider führt so manche Fahrt über eine zu steile Wiese, kerzengerade in den Tod. Wie überall, wird immer mehr, immer noch ein wenig dazu, noch mehr geladen, noch weiter hinauf, es wird einfach der Bogen überspannt und es kommt zu tragischen und schweren, aber auch kostspieligen Unfällen.

Da erinnert man sich gerne zurück zu Ochsengespann oder Heuplache, wenn da mal etwas schief-gelaufen ist, da war nicht viel kaputt, selbst wenn eine Heu-Fuhre umgefallen ist, es war nur ärgerlich, vor allen dann, wenn ein Gewitter schon sehr nahe kam. Es gab mehr Arbeit und der schwer ersehnte Feierabend ist wieder einmal verschoben worden!

„Bingelmaschine“

Nach dem „Schwedenreitern“ und den Silos kam eine ganz neue Art, das kostbare Futter zu verarbeiten und es für die Rinder geschmackvoll aufzubereiten. Die weißen und auch grünen (und jetzt auch in verschiedensten anderen Farben) „Kugeln“, die da überall auf den Wiesen zu sehen sind. Sie sind verstreut, als ob sie vom Himmel gefallen wären und werden dann meist am Abend, wenn die „Bingelmaschine“ fertig ist, mit einem Traktor per Frontlader eingesammelt und zu „großen Bergen“ aufeinander geschlichtet. Dort liegen sie dann bis zum Winter bzw. Frühjahr. Riechen ein wenig nach Sauerkraut, nur etwas süßer und die „Viecher“ fressen es gerne. Es wird auch für die Wildfütterung und alle übrigen Grasfresser gerne verabreicht!

Das Ganze ist eine enorm gute Erfindung und erleichtert die Arbeit in der Futterlagerung enorm. Der Bauer ist weniger vom Wetter abhängig, ein schöner Tag genügt und dank der neuen großen und übergroßen Maschinen können riesige Flächen auf einmal be-/verarbeitet werden. Ein weiterer Vorteil ist die Lagerung. Ein Stapel im freien Gelände, irgendwo in der Wiese oder im Wald, kann als Lagerplatz, anstatt der Tenne genützt werden. Die heutigen Mähmaschinen sind wahre Monstergeräte und haben eine geschätzte Mähbreite von fast 10 Meter. Ebenso die Heumaschine, die Flächen bewältigt, die man sich früher nicht hätte vorstellen können.

Einige Dinge ein, die sich so besonders verändert haben und über die keiner spricht

Wenn ich da so nachdenke, dann fallen mir einige Dinge ein, die sich so besonders verändert haben und über die keiner spricht.

Noch vor 80 Jahren gab es bei jedem Bauern, na ja, fast bei jedem Bauern, Dienstmägde und Knechte, die haben den Bauern die schwere Arbeit Großteils verrichtet und dafür hat der Bauer etwas bezahlen müssen. Auch Essen und Logie war frei, und in vielen Fällen bei den guten Dienstposten, gab es Schuhwerk und Bekleidung ebenfalls gratis. Großteils waren ja mehrere Kinder da, die von klein auf, bei der Bauernarbeit mithelfen mussten und meist, vor allem bei den Mädchen, bis zum Heiraten zuhause geblieben sind. Langsam hat sich nach dem Krieg alles verändert.

Erstens kamen viele Männer nicht mehr aus dem Krieg zurück und fehlten auf den Höfen sehr, auch viele Knechte vielen dadurch aus und so begann der Dienstnehmermangel in der Landwirtschaft. Dazu kam, dass nicht mehr so viele Kinder geboren wurden und die, die noch kamen, wurden nicht mehr so viel in der Landwirtschaft eingesetzt, sondern man hat ihnen etwas lernen lassen, und die gut gelernt haben, durften etwas studieren. Unter dem Motto: Die sollen es einmal besser haben! Viele Bauern hatten gehofft, dass die Jungen, trotz des erlernten Berufes, einmal den Hof übernehmen und im Nebenerwerb die Landwirtschaft weiter betreiben. Diese Rechnung ging in vielen Fällen nicht auf und dadurch wurden immer weniger Arbeitskräfte bei den Bauern. Knechte und Mägde sind in unserer Gegend überhaupt ausgestorben. Die Bauern können die Löhne nicht bezahlen, die am sonstigen Arbeitsmarkt bezahlt werden. Daher mussten fast für jede Tätigkeit, eine entsprechende Maschine erfunden werden und die sind zwar teurer als die Dienstboten aber praktischer, denn die „fressen“ nichts, wenn sie stehen?

Es kam noch eine große Veränderung dazu. Viele Landwirte haben aufgegeben. Die Gründe sind so verschieden wie die Bauern selbst. Die Ställe sind leer, in den Tennen ist kein Heu mehr. Aus den Ställen hat man im schlimmsten Fall eine Garage gemacht, in den Fremdenverkehrs-Gemeinden, wurden in dem Stallgebäude, Gaststuben und Fremdenzimmer installiert, in anderen Gegenden verfällt das Gebäude langsam, dies ist dann noch schlimmer!

Die Wiesen sind aber nicht ganz einfach zu verändern, die müssen bearbeitet werden, ehe sie zuwachsen oder verbaut werden. Hier haben die Nachbarn, die, die nicht aufgeben wollen, diese Wiesen gepachtet, den eigenen Stall vergrößert oder gleich neu gebaut. Trotz Personalmangel muss die Mehrarbeit geschafft werden, und dies geht ganz gut, einfach nur mit immer mehr und immer noch größeren Geräten und Maschinen.

Reine Monstergeräte fahren heute auf den viel zu schmalen Wegen und Straßen und Radfahrer leiden oft wegen der dadurch entstehenden Gefahren. Dazu kommt ein weiteres Problem. Die Radwege, die vor mehr als 30 Jahren durch die Täler über die Wiesen und durch Wälder errichtet werden konnten, ging weitgehend nur mit dem Einvernehmen der Bauern und Grundbesitzer, die ihre Zustimmung für diese Radwege gegeben haben, wenn sie selbst mit den landwirtschaftlichen Fahrzeugen, diese Radwege mitbenützen können und dürfen. Dies ging von Anfang an auch ganz gut. Die Traktore waren noch kleiner und die Maschinen gerade mal so breit, so dass bei Begegnungen keine Gefahr bestand. Im Laufe der Jahre wurde alles größer und breiter, will man bei Begegnungen kein Risiko eingehen, bleibt man am besten stehen und steigt vom Fahrrad. Dabei ist zu beobachten, dass meist junge Bauern einen „Spaß“ daran haben, ja nicht auszuweichen und die ängstlichen Fahrradfahrer regelrecht vom Rad, herunter zu treiben! Ganz anders verhalten sich da die Bauern im Burgenland. Die weichen aus, soweit sie können und winken jeden Radfahrer von weitem ganz freundlich zu, dass ist auch Fremdenverkehrswerbung und tatsächlich, man fährt schon auch deswegen, immer wieder gerne hin!

Aber es gibt ein weit schlimmeres Problem mit den immer größeren und schwereren Maschinen, und hier sind es die berühmten Futterballen. Ein Stück wiegt zwischen 850 bis 950 kg. Also nehmen wir 900 kg an und beachten eine Ladung die vom Feld über die Radwege zum Hof oder sonstiger Lagerstätte gefahren werden. Erstens ein sehr schwerer, weil notwendiger Traktor, der bereits zwischen 3 500 bis 6 000 kg auf die Waage bringt. Dazu der schwere Anhänger der sicher auch mehr als 2 Tonnen wiegt und dazu die Heuballen, bis zu 20 Stück werden geladen und dies, mal 850 ergibt ein Ladegewicht von 17 Tonnen, und ein Gesamtgewicht von mehr als 25 Tonnen und dass auf einem Radweg, der mit einem eben für Radwege geeigneten Unterbau, errichtet wurde. Jetzt sieht man vielfach bereits grobe Schäden am Asphalt und man kann mit dem Rad nicht mehr gefahrlos fahren. Dabei taucht die Frage auf “Wer wird das bezahlen“? Die Bauern werden auf ihr Recht pochen, den Radweg für ihre Fuhrwerke benützen zu dürfen, obwohl gerade sie jetzt die Schäden verursachen! Es wird wohl früher oder später notwendig sein, eine Tonnagen-Begrenzung einzuführen, an die sich auch die Bauern zu halten haben!

Ein weiteres Problem ist mit der frühen Mahd dazu gekommen. Es blühen, wie schon erwähnt, keine Blumen mehr, dadurch sterben viele Insekten wie der Maikäfer, die Heuschrecken, viele Schmetterlinge und weiteres Getier einfach aus, weil es für sie keine Nahrung mehr gibt. In weiterer Folge sterben die Vögel und wer weiß, was noch alles folgen wird. Der Wachtelkönig hat schon viel früher, “Reiß-aus“ genommen, er hat früh genug erkannt, dass er hier einmal verhungern wird, und ist daher nach Sibirien ausgewandert. Als letzte Tat hat er mit Hilfe einer Frau aus Wörschach und einer Partei, die diesen Vogel gerne als Wappentier auf ihre Fahnen heften wollte, eine immer notwendigere Straße verhindert. Gesehen hat dieses Tier von uns Einheimischen, schon seit mehr als 40 Jahre, keiner mehr, nur ein ehemaliger Landesrat ist einmal im Ennstal gewesen und hat sofort einen „präparierten“ als „echten“ erkannt?!

Jetzt aber wieder zurück zur Heuernte. Der Grund der frühen Mahd ist, dass die Tiere das junge saftige Futter eben lieber fressen, und ein weiterer Grund ist wohl, dass die Bauern, auch durch mehr Düngung und der Mahd vom jungem kurzen Gras, anstatt zweimal, bis zu vier Mal mähen können, der Ertrag dadurch um 50 % erhöht werden kann.

Der Kitz-Tod

Ein Nachteil dieser neuen Mähgeräte ist wohl auch gegen das Wild, vor allem gegen die Rehkitze entstanden. Hunderte wenn nicht tausende Kitze werden durch die rotierenden Messer und die sehr schnell fahrenden Zugmaschinen ganz einfach „zerfetzt“! Es bleiben nur noch Fleisch und Hautfetzen übrig. Diese, weil ja alles weitere auch mit Maschinen bearbeitet wird, sieht kein Mensch und so kommen diese Fleischreste ins Futter, dort verwest es und kommt letztendlich in den Futtertrog für die Viecher. Die fressen zwar nicht alles was ihnen da gegeben wird, aber einige erwischen aus Gier dann doch solche verwesten Fleischreste. Schwere Krankheiten bis zum Tod sind die Folge. Jetzt will man mit einer neuen Erfindung, nämlich mit „Drohnen“, die Rehkitze aufspüren und diese aus der Gefahrenzone bringen. Dies ist aber ein eher fragwürdiger Versuch, denn Kitze, wenn sie einen Menschengeruch angenommen haben, werden von der Mutter nicht mehr angenommen und gehen demnach eben einer fragwürdigen Zeit entgegen. Vielleicht erfindet man einmal eine Drohne, die die Tiere selbst aufhebt und aus der Wiese trägt? Nachdem schon so viel Neues gekommen ist, womit niemand gerechnet hat, wird es wohl auch hier einmal etwas“ gescheiteres“ geben?

Heute gibt es nicht nur Maschinen, die den Bergbauern bei ihrer Arbeit im steilen Gelände hilfreich sind und es gibt Fahrräder mit denen man ebenfalls jeden noch so steilen Weg, bergauf und noch besser, bergab befahren kann. Seilbahnen machen mit den „Montainbike-Boom“ ein gutes Geschäft und die Bauern wiederum müssen für noch bessere und bergtauglichere Maschinen, noch tiefer in die Tasche greifen, damit sie ihre Bergwiesen bearbeiten können. Weil Viehzucht und Milchwirtschaft sich scheinbar nicht mehr lohnen, die notwendigen Maschinen nicht mehr leistbar sind, keine Arbeitskräfte mehr da sind, werden viele Bergbauern gezwungen, ganz einfach aufzugeben. Am Land herunten, wo ebene Flächen, mit immer noch größeren Maschinen, schneller zu bearbeiten sind, ist es leichter möglich, die Wiesen an einen Nachbarn oder Interessenten zu verpachten, und dadurch noch eine kleine Einnahme zu erzielen, oben bei den Bergbauern, ist es viel schwieriger. Wenn der Nachbar ohnehin schon genug steile Wiesen zu bearbeiten hat, interessiert ihn sicher eine weitere „Leitn“ keineswegs! Die Folge: Es wird verkauft und so sterben in allen Berggegenden die Bauernhöfe aus. Im Fernsehen wird noch manches Mal gezeigt, wie es einmal war. Noch gibt es Bauern und Bäuerinnen, die richtig zeigen können, wie man eine Sense wetzt und auch, wie Mähen wirklich geht, aber wie lange noch? Die Bauernjugend selbst wird langsam einen Dengelhammer, einen Wetzstein und eine Sense, nur noch aus alten Filmen kennen. Dann zeigt man, wie heute schon in den Heimatfilmen, nur noch Mäher, die vom “richtigen mähen“, keine Ahnung haben.

Die Redewendung,“ die guate alte Zeit“ ist in jeder Hinsicht anzuzweifeln und vieles wäre zu hinterfragen. Vieles ist besser geworden und anderes eben schlechter, nüchtern betrachtet, alles hat sich ganz einfach, ganz gewaltig VERÄNDERT! Und was kommt noch? Wenn viele Gräser, Blumen und damit viele Insekten ausgestorben sind, wird es auch hier - Neue, Andere, Schönere - solche, die mit Strom fliegen und nichts fressen, nur viel lauter brummen, geben? Werden Drohnen anstatt Wespen und Heuschrecken durch die Wiesen fliegen, wer weiß das schon, was da noch kommt. Wir, die wir schon den 80-iger überschritten haben, werden die Neuheiten, die da noch kommen, nicht mehr erleben können. Jedenfalls meine ich, und dies, mit voller Überzeugung: Wir, unsere Generation, die in den Kriegsjahren geboren wurden und heute noch am Leben sind und erfahren haben, wie sich alles so stark verändert hat, hat die beste Zeit, die es je gegeben hat, erleben dürfen! Denn aus den Erzählungen unserer Eltern und Großeltern, weiß man, es war auch „ihre Zeit“ keineswegs besser. Wir haben im, und auch nach dem Krieg, nichts, aber schon gar nichts gehabt, zwar einiges Geld, aber dafür konnte man nichts kaufen, wir heraussen am Land hatten noch immer etwas zu essen. Leute in der Großstadt hatten auch das nicht mehr, so haben alle, förmlich bei null angefangen und alle, die sich halbwegs an die Regeln im Beruf und im allgemeinen Leben gehalten haben, können auf eine sehr schöne, wenn auch aufregende und aufstrebende Zeit, mit Katastrophen und Unheil durchwachsene Zeit, zurückschauen! Wie wird es wohl denen ergehen, die jetzt das Licht der Welt erblicken? Dieser Gedanke beschäftigt wohl nicht nur mich?

Quelle

  • Stefan Berger im August 2021, übermittelt von Hermann Harreiter via E-Mail an Administrator Peter am 17. September 2021
Erzählungen von Stefan Berger