Wolf Stadler von Wolfersgrün
Wolf Stadler von Wolfersgrün (* 3. Juli 1902; † 2. Juni 1936 am Hochtor) war ein bekannter Wiener Alpinist und Bergretter. Er starb zu Pfingsten 1936 in den Ennstaler Alpen und liegt auf dem Bergsteigerfriedhof in Johnsbach begraben, wo noch heute sein Grabstein zu sehen ist.
Von seinem Bergsteigertod
Die "Murtaler Zeitung" schrieb in ihrer Ausgabe vom 6. Juni 1936:[1]
Der bekannte Wiener Bergsteiger Wolf Stadler von Wolfersgrün und seine Begleiterin Ingeborg Roth-Tilgner haben durch den Wettersturz zu Pfingsten in den Felswänden des Hochtors ein tragisches Ende gefunden. Wolf Stadler war infolge Erfrierung und Erschöpfung gestorben. Seine erschöpfte Begleiterin konnte geborgen werden. Von den auf dem Weg zum Hochtor verschollenen Wiener Touristen Fritz Schmidt, Dr. Hans Cerrak und ihren Begleiterinnen Vilma Goutsch und Helene Oesterlein, die angeblich von der Heßhütte aus über den Oedsteingrat zum Hochtor aufsteigen wollten oder aufgestiegen sind, sind nunmehr Doktor Hans Cerrak und Helene Oesterlein geborgen worden, während Vilma Goutsch und Fritz Schmidt den Strapazen erlegen sind.
Wesentlich ausführlicher berichtete "Die Stunde" in ihrer Ausgabe vom 4. Juni 1936:[2]
Bergtod Wolf Stadlers. Nachrichtendienst der „Stunde" Admont, 3. Juni.
Die Rettungsexpedition, die seit Pfingstsonntag vergeblich versucht hatte, zu den beiden Wiener Touristen Ingeborg Rot-Tilebner und Wolf Stadler zu gelangen, konnte erst gestern spät nachts die beiden Touristen erreichen. Die Hoffnung, die Verstiegenen noch lebend anzutreffen, bestätigte sich nicht.
Wolf Stadler war unmittelbar vor dem Einlangen der Rettungsexpedition in den Felsen gestorben.
Seine Begleiterin, die mit dem Verunglückten im gleichen Zelt biwakiert hatte, wurde vollkommen erschöpft im Rettungssack auf die Roßkuppe aufgeseilt und gegen 1 Uhr nachte zur Heßhütte gebracht. Sie wird dort gelabt, und man hofft, daß es gelingen wird, die Frau wohlbehalten ins Tal zu bringen.
Einer der bekanntesten Touristen
Wolf Stadler war einer der bekanntesten Wiener Bergsteiger. Er hatte an zahlreichen großen Rettungsexpeditionen teilgenommen, war einer der Führer der „Austria"-Bergsteigerschaft und seiner alpinistischen Tüchtigkeit verdankt eine ganze Reihe von Touristen ihr Leben. Stadler hat sie mit Einsetzung seines eigenen Lebens aus den Felsen befreit.
Die touristischen Verbände, der deutsche und österreichische Alpenverein, haben Stadler durch Verleihung der höchsten Auszeichnungen, die ein Bergsteiger erwerben kann, geehrt und ihm das große „Grüne Kreuz" für die Rettung Verunglückter ausBergnot verliehen.
Vom Wettersturz überrascht
Ingeborg Rot-Tilebner ist ebenfalls eine bekannte Alpinistin. Sie gilt als aus gezeichnete Felskletterin und hat schon große und in der Geschichte der Alpinistik bekannte Bergtouren unternommen. Wolf Stadler stieg mit ihr Pflingst-Sonntag zur Roßkuppenkante im Gesäuse auf. Die beiden wählten eine Route, die als außerordentlich schwer gilt, aber in Anbetracht der alpinistischen Kenntnisse der Bergsteiger keine übermäßige Leistung bedeutet. Sie hatten auch schon etwa 450 Meter der 600 Meter hohen Wand durchklettert und langten oben bei der letzten sogenannten Hangeltraverse an, die zur Höhe der Roßkuppe hinaufführt. Dieses Stück müssen die Bergsteiger frei am Fels hängend durchklettern. In diesem Augenblick aber setzte der Wettersturz ein. Mit unheimlicher Gewalt begann der Sturm Regen und Schnee gegen den Fels zu schleudern, die Steine überzogen sich mit einer spiegelglatten Fläche und die Bergsteiger konnten sich weder vor noch rückwärts bewegen.
In dieser Situation schlugen Wolf Stadler und Ingeborg Rot-Tilchner die Stahlhaken, die sie mitführten, in die Wand, hüllten sich in das alpine Zelt, das sie ebenfalls bei sich hatten und banden sich mit ihren Seilen an den Haken fest, um nicht abzustürzen. Sie hofften, daß das Wetter vorüberziehen wird. Die Katastrophe nahm aber immer größeren Umfang an, die Temperatur sank und so entschloß sich Wolf Stadler, der erprobte Rettungsmann, selbst das alpine Notzeichen zu geben, das er so oft beantwortet hatte. Sechsmal in der Minute, regelmäßig wiederkehrend, gab Stadler das alpine Zeichen. Von der Heindlkar-Hütte wurde das Signal aufgenommen, durch Blinkzeichen beantwortet und nach Admont weitergegeben.
Die Rettungsexpedition auf dem Anstieg
In Admont wurde die Rettungsexpedition zusammengestellt, die, von dem Bergführer Loidl geleitet, zur Heindlkarhütte aufstieg. Das Wetter wurde aber immer schlechter und die Retter mußten erkennen, daß ihre Kräfte nicht ausreichten, um gegen das tobende Element anzukämpfen. Zufälligerweise wußte man in Admont, daß eine Gruppe der Austria-Bergsteigerschaft auf einer Klubfahrt war und mit der Bahn nach Wien zurückfahren wolle. Der Zug wurde mit dem Bahntelegraphen auf offener Strecke ungehalten und die besten der Bergsteiger gingen als Rettungsexpedition auf die Roßkuppe.
Zwei Tage und zwei Nächte waren bereits vergangen. Man hörte wohl noch hie und da schwache Notzeichen aus dem Fels, doch war die Hoffnung, die beiden Touristen lebend zu erreichen, schon sehr gering geworden. In den Abendstunden des Dienstag erreichte als erster der Retter der Wiener Tourist Karl Poppinger das Zeltlager. Er gab Zeichen, die aber von der Rettungsmannschaft falsch verstanden wurden, sodaß man nach Wien die Meldung weitergab, Wolf Stadler sei noch am Leben.
Tot geborgen
Der Bergführer Loidl, der schon den ersten Angriff gewagt hatte, stieg als zweiter zu den am Felsen Angebundenen. Die beiden Retter stellten fest, daß Wolf Stadler schwere Erfrierungen erlitten hatte und an Herzschwäche gestorben war. Ingeborg Tilchner hatte versucht, ihren Bergkameraden zu laben, doch hatten sie selbst die Kräfte verlassen und nur den gespannten Seilen ist es zu danken, daß sie nicht abstürzte.