Kunstlaubfabrik Schladming
Die Geschichte der Kunstlaubfabrik in Schladming hängt mit der Künstlerin Pauline Flechner-Halm zusammen.
Einleitung
Das künstlerische Schaffen von Pauline Flechner-Halm ist uns heute noch durch so manche ansprechende Landschafts- und Blumenbilder gegenwärtig, die sich meist in Privatbesitz befinden, sieht man von einer Serie von Blumenstudien ab, die in der „Neuen Galerie" des Landesmuseums Joanneum in Graz verwahrt sind oder von einem Großgemälde im Besitze der Stadtgemeinde Schladming.
Weniger bekannt sein dürfte aber, dass Pauline Flechner-Halm auch einige Jahre eine Kunstlaubfabrik betrieb, deren Erzeugnisse anlässlich der Steiermärkischen Landesausstellung 1882 mit einer Ehrenmedaille ausgezeichnet wurden.
Geschichte
Nach Schließung des Gersdorff-Flechnerschen Nickelbergbaues in den Schladminger Tauern, die im Jahre 1875 erfolgte, war es das Bestreben von Pauline Flechner-Halm, den in Not geratenen Bergarbeiterfamilien zu helfen. Durch ihre Tante Gräfin Pauline Baudissin, die in Wien eine Kunstblumenfabrik leitete, wurde Pauline Flechner-Halm angeregt in Schladming eine Kunstlaubfabrik zu eröffnen und als Arbeitskräfte vorwiegend Mädchen aus Bergarbeiterfamilien einzustellen.
Der Betrieb wurde im Nagelschmied-Haus eröffnet, doch erfolgte später die Verlegung in das ehemalige Flechnersche Schmelzwerksgebäude in Mandling.
Der Kunstlaubfabrik war aucheine „Mädchen-Zeichenschule“ angeschlossen, denn Pauline Flechner-Halm legte größen Wert darauf, dass die Mitarbeiterinnen eine gediegene Fachausbildung haben sollten. Aus den Bestandsjahren der Kunstlaubfabrik findet sich im Steiermärkischen Landesarchiv ein umfangreicher Aktenlauf zwischen der Bezirkshauptmannschaft Gröbming, der Stadthalterei in Graz und dem Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien. In einem Gesuch an das Kultusministerium vom 25. Oktober 1879 stellte Pauline Flechner-Halm den Antrag um staatliche Übernahme der bereits bestehenden Kunstlaubfabrik und Umwandlung derselben in eine „Schladminger Frauen-Industrieschule für künstlerische Lauberzeugung“. Dieser Antrag wurde vom Ministerium an die Statthalterei in Graz weitergeleitet und dazu zunächst festgestellt, dass dem Kultusminister „...das Unternehmen der Genannten nach seinem gegenwärtigen Stande in hohem Grade geeignet erscheint, sowohl den Sinn für künstlerische Arbeiten und den Geschmack überhaupt zu bilden, als auch für die ländliche Bevölkerung – insbesondere für schwächliche weibliche Individuen - eine ergiebige Erwerbsquelle zu schaffen.“
Dem Ansuchen zur staatlichen Übernahme der Kunstlaubfabrik wurde jedoch nicht stattgegeben, das Ministerium bewilligte aber „zur Hebung des für die Ausbildung der Arbeiterinnen erforderlichen Zeichenunterrichtes eine Unterstützung von 600 Gulden an Frau Flechner-Halm.” In einem weiteren Schreiben des Ministeriums für Kultus und Unterricht an die Statthalterei in Graz vom 23. September 1880 wird mitgeteilt, dass die mit der Kunstlaubfabrik zu Schladming verbundene Mädchen-Zelchenschule durch weitere zwei Schuljahre unterstützt werde. Dies geschehe in der Form, dass die Wiener Malerin Antonia Bogner nach Schladming übersiedeln und dort den Unterricht leiten soll. Hiefür wird ein jährliches Honorar von 600 Gulden aus Staatsmitteln für die Künstlerin bewilligt.
Nach längeren Erörterungen wurde schließlich auch ein vom Ministerium am 12. April 1882 genehmigter Lehrplan von Frau Bogner erstellt, der folgende grundsätzliche Richtlinien beinhaltet:
„Die Schule soll den im Orte und in der Umgebung wohnenden Mädchen die Gelegenheit bieten, sich die zur Ausübung ihres gewerblichen Berufes erforderliche Fertigkeit im Freihandzeichnen anzueignen. Gleichzeitig soll durch dieselbe eine Veredelung des Geschmackes, des Form- und Farbensinnes angestrebt werden.
Diese Schule besteht aus folgenden zwei Abteilungen:
I. Der Abendschule für die in der Fabrik Beschäftigten mit einem ihrem Berufe angepassten Unterrichte,
II. der allgemeinen Abteilung in welcher auch Schülerinnen Aufnahme finden können, welche nicht in der Fabrik beschäftigt sind.
Jede Abteilung besteht aus zwei Jahrgängen in welchen folgende Gegenstände gelehrt werden:
In der Abteilung I (Abendschule):
Zeichnen, mit wöchentlich 2 Stunden; Botanik, mit wöchentlich 1 bis 3 Stunden; Schönschreiben, mit wöchentlich 1 Stunde; Orthographische Übungen, mit wöchentlich 1 Stunde.
Die übrigen, nicht näher festzustellenden Abendlehrstunden entfallen auf den praktischen Unterricht, in welchem die Anwendung des Zeichnens auf die in der Fabrik auszuführenden Arbeiten vermittelt und gelehrt wird”.
Offensichtlich hat sich Pauline Flechner-Halm in der Führung ihrer Kunstlaubfabrik voll engagiert und dabei auch die künstlerische Arbeit als Malerin vorübergehend zurückgestellt, denn wir lesen in der Rezension einer Grazer Kunstausstellung die bemerkenswerte Feststellung: "Die sechs Stücke ,Alpenflora' von Pauline Halm in Schladming sind fein empfundene und delicat ausgeführte Malereien. Die Künstlerin, weiche seit Jahren nichts mehr ausstellte, da sie sich der durch ihre schönen Leistungen allbekannten Blumenfabrik in Schladming widmete, hat sich neuerdings der Malerei zugewendet und wir können konstatieren, dass Fräulein Halm durch den fortwährenden Kontakt mit der Alpennatur und durch ihre fortgesetzten, nun gereiften Studien einen entschiedenen Fortschritt zu verzeichnen hat.“
Über den weiteren Fortbestand der Kunstlaubfabrik ist heute nichts mehr bekannt. Die Blätter sind gleichsam vom Herbstwind verweht - nur ein Blattmodel befindet sich im Besitz von Frau Grete Flechner und erinnert an die Blütezeit der Schladminger Kunstlaubfabrik.
Quelle
- Heimatkundliche Blätter von Schladming, Nr. 9, Dezember 1987, Beitrag von Walter Stipperger